Vor einiger Zeit begann in den Glarner Nachrichten die Auseinandersetzung über eine einfachere Ausrichtung der Individuellen Prämienverbilligung (IPV).
Die SP hat Ende September 2024 im Landrat das Postulat «Die Antwort auf den Prämienanstieg im Kanton Glarus» eingereicht. Deshalb beteilige ich mich gerne an dieser Diskussion. Auch aus privater Perspektive: Die Prämien für unsere Familie sind in den letzten 2 Jahren gesamthaft um 600 Franken pro Monat gestiegen.

Das Postulat wünscht, dass der Regierungsrat eine andere Vorgehensweise prüft: Es wird aufgrund der vorhandenen Steuerdaten beurteilt, ob jemandem eine IPV zusteht und falls ja, bekommt man sie automatisch. Das machen sieben Kantone so; 17 Kantone benachrichtigen die antragsberechtigen Personen und stellen ihnen ein Antragsformular zu. Zwei Kantone (darunter GL) informieren die Bevölkerung flächendeckend mit einer Broschüre.
In unserem Sozialstaat soll niemand sich selbst überlassen bleiben. Als sozialkonservative Poli-tikerin und als Berufsfrau ist das in meinem Sinne. Krankheit führt oft zu unverschuldeten finan-ziellen Problemen. Leider gibt es Hürden für die Inanspruchnahme von zustehenden Leistungen. Sei es durch unverständliches Bürokratie-Kauderwelsch oder dass man über seine Ansprüche nicht proaktiv informiert wird, obwohl das Gesetz dazu verpflichtet (ATSG, Art. 27, Aufklärung und Beratung). Das Antrag-Stellen-Müssen für die IPV ist ebenfalls eine Hürde.
Die Gegner einer automatischen Lösung finden, dass wer Leistungen von der Allgemeinheit beziehen will, seinen Anspruch selbst geltend machen soll. Diese Aussage ist erzieherisch gefärbt und leider nicht zu Ende gedacht: Bei Kürzungen (oder eingebauten Hürden) für den Bezug der IPV kann eine Verlagerung in die Sozialhilfe geschehen, wie das SKOS-Monitoring 2021 festgestellt hat. Wenn Menschen in finanzielle Notlagen geraten, verschulden sie sich und das Risiko von gesundheitlichen Problemen und Arbeitsplatzverlust steigt. Darum nützt es der Allgemeinheit mehr und sie bezahlt unter dem Strich weniger, wenn die IPV automatisch allen Berechtigten ausbezahlt wird.
Das Problem des Kaufkraftverlusts liegt bei den gestiegenen Lebenshaltungskosten, nicht bei der Steuerlast. Dazu kommt, dass die Prämie nicht nach Einkommen und Vermögen abgestuft ist; die weniger Begüterten zahlen prozentual mehr. So zeigt sich: Die Mehrzahl der Haushalte mit IPV hat ein Jahreseinkommen von Fr. 40'000 bis 84'000. Die IPV wird also am richtigen Ort aktiv.
Die Gegner sagen: «Anstatt linker Symptombekämpfung braucht es liberale Reformen, um die Kosten langfristig für alle zu senken.» Das ist ein zynisches Argument für all jene, deren Portemonnaie am Ende des Monats leer ist. Es braucht leider die aktuelle Symptombekämpfung, ich hätte es auch lieber anders. Bitte keine weiteren liberalen Reformen, sondern solche, die den Patienten wieder in den Mittelpunkt stellen: Koordination, Kooperation, Information, Hausärzte, gute Pflege!
Dagegen steht in einem Leserbrief: Das Ziel ist weniger Bürokratie und «alle, die IPV zugute haben, erhalten sie auch». - Ja, genau.
Sabine Steinmann aus Oberurnen, SP-Landrätin und Fraktionspräsidentin, Pflegefachfrau HF, Master in Care Management, Geschäftsleitung von Alzheimer Glarus